"When I see that blank sheet in front of me, as empty as it may look, I
have, of course, projected a great many things onto it already: music
I've written or pieces that already exist. So I don't regard the sheet
as blank. On the contrary: part of my work is to clear the slate, to
eliminate what's there before I write even the first note. Then I can
proceed to get what may be my own music down on the page."
"A typical strategy is waiting. A sequence of notes is most composers'
starting point. And it's where I stop. Not that I cease to do anything
at all; sometimes it takes a bit more, sometimes a bit less. There are
so many traps, so many ways of destroying the sequence, because people
think it needs a little compositional help."
"Sometimes you think – and I know this from reactions to my
pieces - that a new element has emerged at just the right moment. When
I work, I can predict the length of the various sections, that they're
going to be seven, five and seven minutes long. But that's more the
result of personal experience than of good timing. More important is
the relation of the material to elapsing time. Some material can take
up only so much time before it runs itself to death. With the sounds I
use, the nature of the material may produce a certain quietude - with
respect to how long a section can afford to be or when something new
needs to be introduced. That's why the question of material is such a
preoccupation.
If I don't have the right material, that feeling of quietude doesn't
set in, and the impression arises of something being too long. Where
this happens, there are two possibilities: either to cut somewhere or
to restore that quiet acceptance of the durations. That is how I think
about the question. It's not a matter of planning out durations but of
sounding out the material, of exploring its nature. Sometimes it's
virtually vacant - there's a very fine line between the vacant and the
banal. I like that vacant quality if it avoids banality."
"When I see that blank sheet in front of me, as empty as it may look, I
have, of course, projected a great many things onto it already: music
I've written or pieces that already exist. So I don't regard the sheet
as blank. On the contrary: part of my work is to clear the slate, to
eliminate what's there before I write even the first note. Then I can
proceed to get what may be my own music down on the page."
Jürg Frey
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Musiktexte 97
Tabula rasa
Zu einer neuen Compactdisc mit Musik von Jürg Frey
von Manfred Karallus
Musik
und Physis: Daß uns ein punktierter Notenwert in geradzahligem Takt
geradezu wie ein martialisches Relikt aus vorvergangener Zeit
vorkommen kann, zeigen uns unzählige Kompositionen aus neuerer Zeit.
Punktierte Strukturen lösen ja in der Regel einen neuronalen Juckreiz
aus, sie spornen, stacheln an, lösen eine innere Hüpfbewegung aus.
Nicht zufällig sind Tanz- und Marschmusik, Gesellschafts- und
Repräsentationsmusik von solchen Strukturen durchzogen. Von der
Französischen Ouvertüre bis zu den unzähligen Hymnen auf Stalin
signalisieren sie eine positive Haltung, eine innere Habachtstellung,
deren man sich spätestens seit Schönbergs „Tanz um das Goldene Kalb"
bewußt sein sollte, wo die somatische Erregung im Tanz sich zu jener
Form von Eifer, muskelgewordenen Geists, steigert, die den Täter
kennzeichnet und bei Schönberg die Masse als Täter entlarvt.
Nietzsches Kritik am unaufhörlichen „Sieg des Optimismus" - er wirkt
sich mittlerweile zum Schaden für die Welt und alles menschliche Leben
aus -beginnt hier zu greifen.
Ich weiß nicht, ob Jürg Frey
punktierte Notenwerte bewußt meidet. Jedenfalls gibt es sie in seiner
Musik nicht, der Musik, die er vor zwanzig Jahren geschrieben hat, so
wenig wie seiner neuesten, einer so entspannten wie entspannenden
Musik, der nichts so unzuträglich wäre wie etwa eine scharf
akzentuierte punktierte Achtelnote. Aber Jürg Frey komponiert auch
nicht im herkömmlichen Sinn ästhetischen Agierens. Er „läßt" es aus dem
Innern heraus „geschehen". Sinnbild für seine Schaffensweise ist die
tabula rasa, das leere Blatt, über das er wie folgt reflektiert: „Wenn
ich das leere Blatt vor mir habe, dann steht zwar nichts darauf, aber
es sind schon sehr viel Sachen darauf ... Musiken, die ich geschrieben
habe, oder Stücke, die es schon gibt, ich betrachte dieses Blatt nicht
als leer. Im Gegenteil: Ein Teil meiner Arbeit ist es, dieses Blatt
überhaupt einmal leer zu bekommen, alles, was drauf ist, bevor ich den
ersten Ton geschrieben habe, davon wegzunehmen, es verschwinden zu
lassen und dann in einem Arbeitsprozeß das auf das Blatt kommen zu
lassen, was vielleicht meine Musik ist."
Jürg Frey zählt zu
jenen Komponisten um Antoine Beuger und Radu Malfatti, denen das
,Geschehenlassen' ein zentrales Anliegen ihrer Arbeit darstellt.
Solche Musik gehört anders gespielt als herkömmliche. John McAlpines
Klavierspiel macht uns bewußt, wie wenig solche Musik ein Studium der
Klavierakrobatik verlangt als vielmehr ein Studium des Anschlags und
der Gesetze des Verklingens, ein Studium über leergemachten Zeit-Raum
und des darin stattgegebenen künstlerischen Ereignisses.
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